25. April 2024

Vertane Chance

Cornelia Ernst, industrie- und energiepolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärt zur heutigen EP-Abstimmung zum Netto-Null-Industriegesetz (NZIA): „Das Netto-Null-Industriegesetz ist eine vertane Chance für einen wirklichen Paradigmenwechsel in der Industriepolitik, denn man lässt private Unternehmen auch weiterhin im Fahrersitz der Transformation. Während andernorts massive öffentliche Subventionen mobilisiert werden, um die Industrie umzubauen, hofft die EU darauf, private Investitionen durch deregulierte Genehmigungsverfahren anreizen zu können. Doch das allein wird nicht genügen und birgt obendrein noch die Gefahr, auf Kosten von Umweltschutz und Bürgerbeteiligung zu gehen.

Wir brauchen vielmehr eine europäische Investitionsoffensive, etwa im Rahmen eines neuen Industriefonds mit frischem Geld, die die öffentliche Kontrolle und Planung stärkt. Wirtschaftsförderung muss dabei immer an gute Arbeitsbedingungen und Umweltschutz geknüpft sein. Zuletzt stelle ich fest, dass das Gesetz einen strategischen Fokus vermissen lässt: Klimapolitische Scheinlösungen hätten auf der Liste der strategischen Technologien eigentlich nichts zu suchen!

Einzig die Vorgaben zur stärkeren Berücksichtigung von Resilienzkriterien bei öffentlicher Beschaffung, öffentlichen Förderprogrammen und Auktionen für erneuerbare Energien sind begrüßenswert, wenngleich ihre Ausgestaltung weniger kompliziert und ehrgeiziger hätte ausfallen können. Für den nun geschlossenen sächsischen Solarstandort kommt dies jedoch zu spät. Einmal mehr wird dabei das industriepolitische Versagen der Ampel deutlich.“… Weiterlesen

24. April 2024

Racial Profiling und Abschreckung

Cornelia Ernst, asyl- und migrationspolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärt zur heutigen EP-Abstimmung über die Reform des Schengener Grenzkodex: „Die Neufassung des Schengener Grenzkodex wird ‚Racial Profiling‘ an unseren Binnengrenzen zur Regel machen, ‚interne Pushbacks‘ zwischen Schengen-Staaten ermöglichen und den Einsatz neuer Überwachungstechnologien dramatisch ausweiten. Während das eigentliche Ziel der Neufassung, die Beendigung der ständigen Wiedereinführung vorübergehender Kontrollen an den Binnengrenzen sein sollte, verallgemeinert der Vorschlag Polizeikontrollen mit dem ausdrücklichen Ziel, irreguläre Migration zu verhindern. Das wird ‚Racial Profiling‘ an den Binnengrenzen massiv verschärfen, so wie wir es beispielsweise schon an der deutsch-tschechischen Grenze kennen – eine illegale Praxis.

Auch ermöglicht das neue Gesetz erstmals direkte Zurückweisungen zwischen Mitgliedstaaten und führt, wie auch schon der Migrationspakt, das Konzept der ‚Instrumentalisierung von Migration‘ ein, was den EU-Mitgliedstaaten ermöglicht, praktisch von allen Grundrechtsgarantien abzuweichen und ‚alle notwendigen Maßnahmen‘ zu ergreifen, um ‚Sicherheit, Recht und Ordnung‘ aufrechtzuerhalten. Ein weiterer Blankoscheck für die Mitgliedstaaten.

Die Schengen-Reform muss im Zusammenhang mit der kürzlich beschlossenen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gesehen werden. Sie ist Teil der EU-Abschreckungspolitik, die sich an Asylsuchende in der gesamten EU richtet und darauf abzielt, sie davon abzuhalten, in einen anderen Mitgliedstaat weiterzuziehen.“… Weiterlesen

23. April 2024

Abschottung um jeden Preis

Heute debattiert das Europaparlament die im März beschlossene „umfassende Partnerschaft“ zwischen der EU und Ägypten im Wert von 7,4 Milliarden Euro. 200 Millionen Euro davon werden zur „Bekämpfung irregulärer Migration“ bereitgestellt. Cornelia Ernst, asyl- und migrationspolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärt im Vorfeld der Debatte: „Erst Tunesien, dann Mauretanien, jetzt Ägypten. Drei fragwürdige Deals mit der gleichen Logik und dem gleichen Ziel: die EU abschotten und Menschen daran hindern nach Europa zu kommen. Dafür ist die EU sich nicht zu schade autoritäre Regime als ‚Türsteher Europas‘ anzuheuern. Die EU bezahlt Ägypten, um die Grenzkontrollen zum Sudan und zu Libyen zu verstärken.

Ägypten hat ein Regime, das Meinungs- und Versammlungsfreiheit stark einschränkt und dem immer wieder Folter und gewaltsames Verschwindenlassen von politischen Kritikern und Andersdenkenden vorgeworfen wird. Das ist mehr als schändlich und die EU hat keinerlei Kontrolle oder Garantien, ob dieses Geld menschenrechtskonform genutzt wird.

Solche dreckigen Deals keine Lösung und zwingen Schutzsuchende auf noch gefährlichere Routen. Diese völlig blinde Besessenheit der Externalisierung von Migrationspolitik muss aufhören.“… Weiterlesen

15. April 2024

Symbolik alleine reicht nicht

Cornelia Ernst, industrie- und energiepolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärt zur heutigen Veröffentlichung der EU-Solar-Charta: „Ich begrüße es, dass EU-Mitgliedsstaaten, Unternehmen und EU-Kommission sich zu dem Erhalt der europäischen Solarindustrie bekennen. Doch Symbolik allein genügt nicht: Die beteiligten Akteurinnen und Akteure müssen die angeführten Maßnahmen nun schleunigst umsetzen. Ich fordere, dass insbesondere die von der Kommission in Erwägung gezogene Einführung eines IPCEI-Programms für Solar nun rasch auf den Weg gebracht wird. Dies entspricht einer Forderung, die Die Linke in ihrem Europawahlprogramm formuliert hat und zeigt: Wir können Industriepolitik!“… Weiterlesen

11. April 2024

Schmankerl für die fossile Industrie

Cornelia Ernst, industrie- und energiepolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärt zur heutigen EP-Abstimmung über die EU-Gasbinnenmarktrichtlinie: „Die Gasbinnenmarktrichtlinie zeigt, dass die fossile Ära der EU mitnichten vorüber ist, denn das Gesetz hält noch immer einige Schmankerl für die fossile Industrie bereit. Dass Verträge für fossiles Gas beispielsweise eine Laufzeit bis zum Jahr 2049 haben können, ist angesichts dessen, dass die EU ein Jahr später klimaneutral sein will, schwer vermittelbar und beschädigt die Glaubwürdigkeit der Klimaziele.

Ebenso problematisch ist, dass die EU weiterhin auf Wasserstoff setzt, der mit fossilem Gas hergestellt wird. Die Rede von kohlenstoffarmem Wasserstoff ist hier Schönfärberei, denn die Klimakrise wird dennoch weiter angeheizt. Unabhängig davon, was man von dieser Mogelpackung hält: Wichtig ist nun, dass der delegierte Rechtsakt zur Definition von kohlenstoffarmem Wasserstoff klare und ehrgeizige Vorgaben enthält. Stichworte sind hier CO2-Abscheidungsrate, Methanleckagen und Datenerhebungen. Angesichts Hunderter Treffen, die die Kommission allein während der laufenden Legislaturperiode mit Vertreter*innen der Gas-Industrie abgehalten hat, besteht die Gefahr, dass die fossile Lobby massiven Einfluss auf den delegierten Rechtsakt nehmen wird.

Die Gasbinnenmarktrichtlinie bleibt auch hinsichtlich des Verbraucherschutzes unter ihren Möglichkeiten. Verbraucherschutz wird weitestgehend den Mitgliedsstaaten überlassen, anstatt klare Vorgaben zu machen. Anstatt Gassperren bei vulnerablen Haushalten einfach zu verbieten, sollen Mitgliedsstaaten Maßnahmen treffen, um diesen vorzubeugen – sich darauf zu verlassen, ist fahrlässig! Ebenso wird auf einen permanenten Gaspreisdeckel verzichtet. Lediglich in Krisensituationen sollen Mitgliedsstaaten Eingriffe in den Gaspreis vornehmen können, wobei die Kriterien für die Ausrufung einer Energiepreiskrise in der Praxis kaum zu erfüllen sind. Zusammengefasst bedeutet dies: Anstatt auf Preisinterventionen zu setzen, sollen Mitgliedsstaaten lieber öffentliche Gelder mobilisieren, um potentielle Krisen abzufedern. Die Gewinne der Gas-Unternehmen sollen aber nicht angetastet werden. Das ist perfide: Aus der Energiepreiskrise, in der viele Menschen unter horrenden Gaspreisen litten und Konzerne Übergewinne scheffelten, wurde nicht gelernt!“… Weiterlesen

10. April 2024

Historisches Versagen des EU-Parlaments

Cornelia Ernst, asyl- und migrationspolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärt zur heutigen Zustimmung des EP zu den Verhandlungsergebnissen der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS): „Der Beschluss der GEAS-Reform ebnet den Weg für einen beispiellosen Rechtsruck in der EU-Asylpolitik. Diese Reform ist die massivste Verschärfung des Europäischen Asyl- und Migrationsrecht seit Gründung der EU. Die Mehrheit der Fraktionen im Parlament tragen diese Zäsur mit. Das ist ein historisches Versagen des Parlaments und eine herbe Niederlage für die Demokratie.

Die Reform ist ein Schlag ins Gesicht für Schutzsuchende und alle die seit Jahrzehnten für eine humane Asylpolitik in der EU kämpfen. Noch dazu wird die GEAS-Reform die Herausforderungen der Praxis nicht lösen. Im Gegenteil, sie legalisiert die jahrelangen Rechtsbrüche im EU-Asylrecht durch die Mitgliedstaaten. Damit wird die Rechtsstaatlichkeit in der EU schwer beschädigt.

Zukünftig werden Asylsuchende, einschließlich Familien mit Kindern, an der Grenze inhaftiert, und von dort aus, wenn möglich, direkt abgeschoben, auch in sogenannte ‚sichere Drittstaaten‘. Damit ist das individuelle Recht auf Asyl in der EU de facto tot. Eine echte Reform des Dublin-Systems ist gescheitert. Statt Menschen aufzunehmen, können die Mitgliedstaaten Abschottungs-Projekte in Drittstaaten finanzieren oder Mittel zur Grenzüberwachung, wie Stacheldraht, innerhalb der EU bereitstellen. Das nennt man dann auch noch ‚Solidarität‘ – das ist blanker Hohn und wird Ersteinreisestaaten wie Griechenland oder Italien nicht entlasten.

Hinzu kommt die Einführung mehr als fragwürdiger Konzepte, wie das der ‚Instrumentalisierung‘ von Migration. Dieses ist ein Blankoscheck für die Aussetzung praktisch aller Rechte Schutzsuchender und ein Freibrief für Pushbacks. Dass die Mitgliedstaaten damit die Ausnahme zur Regel machen werden, ist ein offenes Geheimnis.

Alle Kolleginnen und Kollegen der großen Fraktionen, die dieses fatale Paket mittragen, sind verantwortlich für die Normalisierung rassistischer und rechtspopulistischer Narrative in Europa bei. Schutzsuchende Menschen werden zu Sündenböcken gemacht. Es ist eine Frage des politischen Anstandes … Weiterlesen

9. April 2024

EU braucht eigenständige Solar- und Windindustrie

Cornelia Ernst, industrie- und energiepolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärt zur Ankündigung der EU-Wettbewerbskommissarin Vestager, gegen chinesische Windkraft-Hersteller zu ermitteln: „Ob im Solarbereich, bei Windturbinen oder anderen strategisch wichtigen Technologien: Wenn Drittstaaten diese massiv mit staatlichen Mitteln fördern und den Wettbewerb verzerren, können europäische Unternehmen kaum mithalten. Europa braucht eine eigenständige Solar- und Windbranche. Deshalb finde ich es richtig, dass die EU-Kommission nun die Instrumente nutzt, die ihr zur Verfügung stehen, und diese Wettbewerbsunterschiede ausgleicht – das ist überfällig! Unternehmen, die wettbewerbsverzerrende Subventionen von Drittstaaten erhalten, sollten bei öffentlichen Auktionen keinen Zuschlag bekommen.

Besonders interessant ist, dass Vestager dazu auffordert, alle zur Verfügung stehenden handelspolitischen Instrumente zu nutzen, um die europäische Industrie zu schützen. Gerade Vestager galt stets als bedingungslose Verfechterin des Freihandels. Das zeigt: In Brüssel verändert sich der Ton. Ich begrüße, dass die EU eine aktivere Wirtschafts- und Industriepolitik verfolgt. Doch das reicht nicht. Für einen wirklichen Paradigmenwechsel braucht die EU sozialen Ausgleich, Umverteilung und öffentliche Kontrolle ebenso wie eine gemeinsame europäische Industriepolitik mit entsprechenden Instrumenten wie einem Souveränitätsfonds.“… Weiterlesen

27. März 2024

EU lernt nicht aus Fehlern

Cornelia Ernst, klima- und energiepolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärt zur Entlassung von 400 Mitarbeiter*innen durch den Solarhersteller Meyer Burger, der sein Werk im sächsischen Freiberg schließen will: „Die Schließung des ‚Meyer Burger‘-Standorts in Freiberg geht auch auf die Kappe der EU-Kommission, die sich zu sehr auf die Mitgliedsstaaten beziehungsweise die Ampel-Regierung verlassen und auf eigene Maßnahmen verzichtet hat. Lässt man wichtige Zukunftsbranchen wie die Solarindustrie ziehen, stellt sich die Frage, wie glaubwürdig die Rede von strategischer Autonomie wirklich ist. Offensichtlich nimmt man in Brüssel immer noch industrie- und energiepolitische Abhängigkeiten in Kauf. Aus den Fehlern der Vergangenheit wurde nicht gelernt!“… Weiterlesen

13. März 2024

In EU droht Massenüberwachung mit KI

Cornelia Ernst, datenschutzpolitische Sprecherin von Die Linke im Europaparlament, erklärt nach der heutigen EP-Abstimmung über das Gesetz zur Künstlichen Intelligenz: „Die EU-Verordnung zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz wäre eine echte Chance gewesen, weltweite Standards für den Umgang mit KI zu setzen. Die EU hat hier global eine Vorreiterrolle.

In einigen Punkten ist die Verordnung durchaus positiv zu bewerten. So werden die Mitgliedstaaten explizit dazu aufgefordert, Gesetze zu erlassen, um einen stärkeren Schutz für Arbeitnehmer*innen zu gewährleisten, wenn KI am Arbeitsplatz eingesetzt wird. Auch ‚Social-Scoring‘-Systeme nach chinesischem Vorbild sind verboten.

Leider hat das Parlament in den Verhandlungen aber essentiell wichtige Elemente nicht durchsetzen können. Das vom Parlament beschlossene Verbot von Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichem Raum wurde durch eine lange Liste von Ausnahmen praktisch gekippt. Auch aufgezeichnetes Material kann in diesem Zusammenhang ausgewertet werden, mit vorheriger richterlicher Genehmigung.

Außerdem wird die KI-Verordnung Emotionserkennung, also Hokuspokus wie Polygraphen und prädiktive Polizeiarbeit, zulassen. Zwar gelten diese Systeme als hochriskant, verboten werden Sie durch die Verordnung aber nicht. Das ist eine verpasste Chance.

Eine weitere Riesenlücke in der Verordnung ist, dass es keine Verbote für den Einsatz von KI-Systemen im Migrations- und Grenzkontext gibt. Damit werden Menschen auf der Flucht zu Versuchskaninchen und die EU-Außengrenzen zum Testlabor gemacht. Das ist inakzeptabel.“… Weiterlesen